Interview

Buchmarketing.direkt im Gespräch mit Michael Wühle: „Oh je, Herr Carlowitz“

Michael Wühle, geboren 1960 in München, ist ein begeisterter Ingenieur. Er war lange für den Flughafen München tätig. Als Verantwortlicher für die Technische Inbetriebnahme von Terminal 2 sorgte er für einen erfolgreichen Start dieser großen Flughafenerweiterung und entwickelte dabei das Facility Management für den Airport. Er führte die Umweltabteilung und entwickelte in dieser Periode die Nachhaltigkeitsstrategie für den Flughafen, sowie dessen erste Nachhaltigkeitsberichte. 2013 machte er sich selbstständig und berät seitdem Organisationen aller Art auf den Gebieten Nachhaltigkeitsmanagement, Umweltschutz, Energie-Effizienz, Erneuerbare Energien, Facility-Management und Inbetriebnahme-Management. Michael Wühle ist Gründer und gewählter Vizepräsident des Luftfahrtverbandes IASA e.V. Er entwickelte das Zertifizierungssystem Sustainability. Now.®, das auf der ISO 26000 „Leitfaden zur gesellschaftlichen Verantwortung“ basiert, sowie das Gütesiegel IASA Certified Sustainability®.

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Buchmarketing.direkt: Guten Tag, Herr Wühle. Das Hauptthema unseres Interviews soll natürlich Ihr Buch Oh je, Herr Carlowitz werden. Für den normalen Leser lässt diese Titelbezeichnung allerdings nicht sofort den Rückschluss zu, dass es sich hierbei eindeutig um ein Sachbuch handelt. Wer ist – oder war – denn dieser Herr Carlowitz? Und was bedeutet der vorangestellte Seufzer?

Michael Wühle: Hans Carl von Carlowitz war um das Jahr 1700 als sächsischer Oberberghauptmann für die Holzversorgung des sächsischen Berg- und Hüttenwesens verantwortlich und gilt als Erfinder der Nachhaltigkeit. Der Seufzer entstand deswegen, weil heutzutage der Begriff und das System der Nachhaltigkeit von seinem einfachen Ursprung der „Wilden Baum-Zucht“, wie Carlowitz sein Nachhaltigkeitssystem genannt hat, weit entfernt ist und sehr oft auch missverstanden wird.

Buchmarketing.direkt: Das Wort Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Was aber meint der Begriff genau, wo kommt er her und was hat er mit unserem Alltag zu tun?

Michael Wühle: Als hochrangiger und verantwortlicher Beamter im barocken Sachsen war Carlowitz für die Holzversorgung des sächsischen Berg- und Hüttenwesens verantwortlich. Die Schmelzöfen des Erzgebirges verschlangen Unmengen an Holz, Bevölkerungswachstum und Städtewachstum führten zu einem großen Holzmangel. Wie in früheren Epochen auch dachten die Menschen nicht weiter nach und holzten ab, was nur möglich war. Holz wurde Mangelware und damit entstand eine große Energiekrise, mit der Carlowitz konfrontiert war und für die er eine Lösung suchte und fand. Ihm wurde klar, dass der vorhandene und steigende Holzbedarf nur durch eine neue Art der Forstwirtschaft gesichert werden kann. Nur mit dieser neuen Methode konnte sichergestellt werden „… daß es eine continuierliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe / weiln es eine unentberliche Sache ist / ohne welche das Land in seinem Esse nicht bleiben mag …“. Diese Zeilen stammen aus seinem berühmten Werk „Sylvicultura Oeconomica“, das als erstes eigenständiges Werk über die Forstwirtschaft gilt. Übertragen auf die Gegenwart bedeuten seine Erkenntnisse zur nachhaltigen Forstwirtschaft, dass wir mit den Ressourcen unserer Welt so wirtschaften müssen, dass die Generationen nach uns in einer weitgehend intakten Umwelt leben können und alle Vorzüge und Bequemlichkeiten einer industrialisierten Welt in der gleichen Form genießen können wie wir selbst.

Buchmarketing.direkt: Sie haben Ihrem Werk den Untertitel: Nachhaltigkeit in der Praxis gegeben, gefolgt von dem adressierenden Zusatz: An alle, die vor nachhaltigen Entscheidungen stehen. An welchen Personenkreis wenden Sie sich konkret?

Michael Wühle: Das Buch richtet sich an alle interessierten Menschen zum Thema Nachhaltigkeit, an Schüler und Studenten, an Fachkräfte und Manager, an alle Menschen, die in ihrem beruflichen oder privaten Umfeld nachhaltige Strukturen schaffen wollen. Wie ich aus meinem beruflichen Netzwerk und auch aus meiner Tätigkeit als Referent in der TÜV-Rheinland-Akademie weiß, scheuen viele Menschen die Kosten, die mit einschlägigen Seminaren zum Thema Nachhaltigkeit verbunden sind. Sie können sich mit Hilfe dieses relativ preiswerten Sachbuchs mehr als nur einen ersten Überblick über das komplexe System Nachhaltigkeit verschaffen. Es ist kein theoretisches Werk, sondern vermittelt „best practice“ in einer Art und Weise, dass der geneigte Leser damit in seinem privaten oder beruflichen Umfeld Nachhaltigkeit erfolgreich umsetzen und Nachhaltigkeit leben kann.

Buchmarketing.direkt: Manchmal kommt ein Umdenkungsprozess nur ganz langsam in Gang, sodass die Zeitgenossen ihn zunächst kaum wahrnehmen. Bei anderen Themen scheint es, als hätte die Welt nur darauf gewartet, dass jemand das Offensichtliche formuliert. Wann wurden Sie auf dieses überaus wichtige Thema aufmerksam? Und gab es in Ihrem Leben einen besonderen „Stein des Anstoßes“?

Michael Wühle: Vor einigen Jahren war ich für den Umweltbereich eines größeren Unternehmens zuständig. Eine meiner Aufgaben war es, eine Nachhaltigkeitsstrategie für das Unternehmen zu entwickeln und einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Mir kam es damals so vor, als wäre auf einmal alles um mich herum nachhaltig. Der Begriff Nachhaltigkeit war gerade mal wieder in Mode und wurde sehr deflationär für alles und nichts verwendet. Ich ging damals ähnlich sorglos mit dem Begriff Nachhaltigkeit um und habe ihn nur als Erscheinung des Zeitgeistes verstanden. Erst als ich mich vor drei Jahren selbstständig gemacht und mein Konzept eines Nachhaltigkeitsmanagements erstellt habe, ist mir die wirkliche Bedeutung, der umfassende Ansatz und die Mächtigkeit dieser Methodik klargeworden. Nur wenn ich von meinem erlernten Wissen, meinen Managementmethoden, meiner Überzeugungskraft leben kann, dabei auch noch Freude habe und es nur Gewinner bei den beteiligten Menschen und der betroffenen Umwelt gibt, nur dann arbeite ich nachhaltig und produziere quasi Nachhaltigkeit.

Buchmarketing.direkt: Für Sie bedeutet Nachhaltigkeit keine Ideologie des Verzichts und der Verbote, sondern Sie begreifen aktiv und richtig praktizierte Nachhaltigkeit vielmehr als Aufforderung zu intelligentem, innovativen, vor allem aber sozial verantwortlichem Handeln. Sehen Sie hierbei mehr die Gesellschaft gefordert oder sollte sich zuerst jeder einzelne Mensch in seiner ganz privaten Umgebung angesprochen fühlen?

Michael Wühle: Sowohl, als auch. Zunächst sollte sich jeder einzelne Mensch angesprochen fühlen. Deshalb habe ich auch unserem Konsumverhalten ein eigenes Kapitel gewidmet. Seit ich mich nun beruflich und täglich mit dem Thema Nachhaltigkeit tagtäglich beschäftige, habe ich mein eigenes Konsumverhalten stark verändert und versuche damit als Konsument einen kleinen Beitrag zu leisten, damit die Welt etwas nachhaltiger und damit auch schöner und friedlicher wird. Und ich bin nicht allein! Immer mehr Menschen in meinem beruflichen und privaten Bekanntenkreis denken und handeln ähnlich. Damit formen wir eine Bewegung die ganz sicher die Gesellschaft radikal und zum Besseren ändern wird. Dieses Wissen einer „guten Botschaft“ zu verbreiten war auch Motivation für dieses Buch.

Buchmarketing.direkt: Bereits Anfangs des 20. Jahrhunderts begann sich die Weltgemeinschaft mit den Problemen der Umweltverschmutzung, den Folgen von Überbevölkerung und dem schonungslosen Umgang mit Ressourcen zu beschäftigen. Es fanden sogar erste internationale Konferenzen zum Thema Naturschutz statt (z.B. die Internationale Konferenz für Naturschutz 1913 in Bern). Man gewinnt dennoch den Eindruck, als würden diese bedrohlichen Probleme von den mächtigsten Staaten noch immer nicht ausreichend ernst genommen. Wie sehen Sie die realen Zukunftschancen für global festzulegende Regelungen der wichtigsten Nachhaltigkeitsfragen?

Michael Wühle: Ich sehe da gute Chancen, insbesondere dann, wenn wir Konsumenten den Druck weiter erhöhen und gezielt nachhaltige Produkte und Dienstleistungen nachfragen. Darüber hinaus entstehen gerade in der EU und in Deutschland erste Gesetze und Richtlinien in dieser Richtung. Ab nächstem Jahr tritt in Deutschland eine EU-Richtlinie zur sogenannten „nichtfinanziellen Berichterstattung“ in Kraft, die insbesondere Nachhaltigkeitsaspekte großer Unternehmen abfragt. Mit dieser CSR-Richtlinie beginnt die bisherige Unverbindlichkeit im Bereich Nachhaltigkeit aufzuhören. Das Umweltministerium erstellt gerade den Klimaschutzplan 2050, der alle Dimensionen der Nachhaltigkeit erfasst und demnächst Gesetz in Deutschland wird. In vielen anderen Ländern passiert ähnliches und so bin ich ganz zuversichtlich, dass es in nicht allzu ferner Zeit eine globale Regelung geben wird. Allein die derzeitige Flüchtlingskrise und deren Ursachen wie Krieg, wirtschaftliche Not, Klimawandel und seine Folgen, usw. zwingen die Politik dazu über nachhaltige Lösungen nachzudenken. Ausgenommen natürlich die ewig gestrigen, die immer noch meinen mit Zäunen könnten solche Probleme gelöst werden!

Buchmarketing.direkt: Sie haben das Zertifizierungssystem Sustainability. Now.® entwickelt. Erklären Sie bitte unseren Lesern, was Sie genau darunter verstehen.

Michael Wühle: Wenn Sie sich mit Nachhaltigkeit intensiver beschäftigen, dann fallen Sie früher oder später über die ISO 26000 „Leitfaden zur gesellschaftlichen Verantwortung“. Dieses internationale Dokument richtet sich an Organisationen aller Art und bietet ihnen eine Anleitung als Organisation zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Es ist eine sehr umfassende Sammlung möglicher Maßnahmen im ökonomischen, ökologischen und sozial/gesellschaftlichen Bereich. Leider verstehen die Autoren der ISO 26000 ihr Werk lediglich als Orientierung für den Anwender und halten sie Zertifizierungszwecke für nicht geeignet. Wenn aber Nachhaltigkeit in Organisationen umgesetzt und entwickelt werden soll, dann muss Nachhaltigkeit auch messbar gemacht werden. Genau diesem Zweck dient mein Zertifizierungssystem Sustainability. Now.®, das dies möglich macht. Ich habe die zum Nachweis eines nachhaltigen Unternehmens erforderlichen Inhalte aus der ISO 26000 aufgenommen, mit meinem Praxiswissen in den Bereichen Projektmanagement, Umwelt und Strategie verknüpft und damit ein System entwickelt mit dem recht einfach der Grad der Nachhaltigkeit einer Organisation ermittelt werden kann. Dabei wird nicht nur ein Nachhaltigkeitsstatus erfasst, sondern vielmehr ein Nachhaltigkeitsprozess gestartet, der sich selbst trägt.

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Buchmarketing.direkt: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann bilden Sie persönlich auch zukünftige Nachhaltigkeitsmanager aus? Ist das ein „richtiger“ Beruf?

Michael Wühle: Ich denke schon, dass dies ein „richtiger“ Beruf ist, denn ich lebe ja schließlich nun bereits seit drei Jahren davon. In unserem Verein IASA e.V. bilde ich seit knapp zwei Jahren Auditoren für das System Sustainability. Now.®aus. Es gibt nun außer mir bereits sechzehn Auditoren, die nach diesem System zertifizieren können. Jemand, der sich dieser Ausbildung unterzogen hat kann sich meiner Meinung auch völlig berechtigt Nachhaltigkeitsmanager nennen.

Buchmarketing.direkt: Herr Wühle, ich bedanke mich für dieses sehr informative Interview.

Link zum Buch

Das Interview führte Peter Eckhart Reichel

Buchbesprechung „Oh je, Herr Carlowitz“

„Oh je, Herr Carlowitz“ / Nachhaltigkeit in der Praxis: Sachbuch von Michael Wühle

 

Gerade in Zeiten, in denen Begriffe wie Abgasskandal, Luft- und Gewässerverschmutzung, Lärmbelästigung durch Verkehr, Vergeudung von Ressourcen oder Klimawandel und Umweltkatastrophen, zu den geläufigsten Schlagwörtern gehören, die wir täglich in unseren Medien wahrnehmen, rückt ein weiterer Begriff immer deutlicher in den Fokus der Berichterstattung.

Das Wort Nachhaltigkeit hören oder lesen wir fast täglich. Mitunter entsteht dadurch der Eindruck, dass Nachhaltigkeit ein oftmals falsch verstandener, zumindest überstrapazierter Begriff ist, der für Alles und Nichts steht. Seit einigen Jahren schwappt sozusagen eine Nachhaltigkeitswelle über die Wirtschaft hinweg. Leider wird dieses Phänomen in der Medienberichterstattung oftmals viel zu ungenau erklärt.

Gleichzeitig verzichtet heute kaum noch ein Unternehmen auf umfangreiche Nachhaltigkeitsberichte. Geldinstitute werben mit nachhaltigen Kapitalanlagen, Anlageberater bieten nachhaltige Investmentfonds an. Selbst Energieunternehmen werden darauf hin analysiert, ob die von ihnen angepriesenen Clean Energy Bonds auch tatsächlich aus nachhaltigen, sprich erneuerbaren Quellen gespeist werden, usw. Die eigentliche Bedeutung des Begriffes Nachhaltigkeit verkommt dabei leider oftmals zur belanglosen Floskel. Auch deshalb liegt die Befürchtung nahe, dass die wenigsten Menschen die eigentliche Bedeutung dieses Begriffes gar nicht richtig einzuschätzen vermögen.

Was meint der Begriff Nachhaltigkeit genau, wo kommt er her und was hat er tatsächlich mit unserem Alltagsleben zu tun?

Nun ist endlich ein neues Sachbuch zu diesem wichtigen Thema erschienen, das zu dieser Problematik eine ganze Reihe Antworten bereithält. Oh je, Herr Carlowitz ist aber nicht nur angehenden Nachhaltigkeitsmanagern zu empfehlen, es bietet auch dem Laien oder Quereinsteiger ein ganz solides Basiswissen.

Alle Kapitel sind übersichtlich und thematisch geordnet und werden durch zusätzliche Fußnoten und einem umfangreichen Anhang am Ende des Buches sinnvoll ergänzt. Der Autor verwendet auch anschauliche Grafiken und beschreibt zusätzlich Szenen aus unserem Alltag. Dadurch wird dieses Buch zur Argumentationshilfe und gleichzeitig zum Lehrbuch. Für den interessierten Leser stellt es darüber hinaus einen reichhaltigen Fundus an wichtigem Hintergrundwissen zur Verfügung.

Hans Carl von Carlowitz

Der bereits im Buchtitel erwähnte Herr Carlowitz ist eine historische Person der Zeitgeschichte. Hans Carl von Carlowitz (1645-1714) war als Oberberghauptmann am kursächsischen Hof in Freiberg (Sachsen) tätig und gilt heute allgemein als Begründer des Nachhaltigkeitsprinzips. Angesichts einer drohenden Rohstoffkrise im 18. Jahrhundert formulierte er in seinem Werk Sylvicultura oeconomica erstmals, dass immer nur so viel Holz geschlagen werden sollte, wie durch planmäßige Aufforstung, also durch säen und anpflanzen, nachwachsen konnte.

Holz war damals der wichtigste Rohstoff, der nicht nur zum Bauen benötigt wurde, sondern auch als Energieträger zum Kochen und Heizen unentbehrlich war. Besonders aber war in der damaligen Zeitepoche der Bergbau dringend auf Holz angewiesen. Der Silberbergbau im Erzgebirge, seinerzeit das wirtschaftliche Rückgrat Sachsens, war durch planlosen Raubabbau der Wälder zusehends in seiner Existenz bedroht. Holz wurde für den Ausbau der Gruben, den Erzabbau selbst und insbesondere für die Schmelzöfen in großen Mengen benötigt. Jahrhundertelang hatte man die einheimischen Wälder als Ressourcen übernutzt, so dass die Umgebung der Bergbaustädte weitgehend kahl geschlagen waren. Es ging sogar soweit, dass weite Flächen in ganz Europa entwaldet wurden und verödeten. Irgendetwas musste dringend geschehen, um doch noch eine drohende Katastrophe abzuwenden.

Das Prinzip, auf dem von Carlowitz aufbaute, lässt sich vereinfacht so darstellen: Einen Baum fällen, dafür drei neue Bäume anpflanzen. Carlowitz widmete sein Werk dem damaligen Sachsenkönig „August dem Starken“ und er stellte seine Vorschläge zur Lösung des Rohstoffproblems wie folgt dar:

„Wo Schaden aus unterbliebener Arbeit kommt, da wächst der Menschen Armuth und Dürftigkeit. Es lässet sich auch der Anbau des Holzes nicht so schleunig wie der Acker-Bau tractiren; … Wird derhalben die größte Kunst, Wissenschaft, Fleiß, und Einrichtung hiesiger Lande darinnen beruhen, wie eine sothane Conservation und Anbau des Holzes anzustellen, daß es eine continuirliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe, weiln es eine unentbehrliche Sache ist, ohnewelche das Land in seinem Esse nicht bleiben mag.“

Einen Baum fällen, dafür drei neue Bäume anpflanzen. Das war für die damalige Zeit ein revolutionärer Ansatz, der nicht kurzfristig, sondern langfristig ausgerichtet war.

Mitunter kommt ein ökonomischer wie auch ökologischer Umbruch so lautlos und extrem langsam daher, dass die Zeitgenossen ihn zunächst kaum bemerken. Im Laufe des 20. Jahrhunderts (also erst 200 Jahre später) entwickelte sich aus der Ursprungsidee des Entdeckers der Nachhaltigkeit ein erster globaler Erweiterungsgedanke. Durch internationale Konferenzen der Vereinten Nationen kam es zu einer Neudefinition. Es entstand der Begriff: sustainable development. Unter dem Dach der Vereinten Nationen ist inzwischen eine weltweite Bewegung entstanden, die sich den United Nations Principles of Responsible Investing (UN PRI) verpflichtet fühlt.

Nachhaltigkeit in der Praxis

Aufbauend auf diese Erkenntnisse versucht der Autor des Sachbuches Michael Wühle auf eben diese dringende Notwendigkeit eines Umdenkens, und auf die damit einhergehenden ökonomischen, ökologischen und auch sozialen erforderlichen Veränderungen hinzuweisen. Sein Werk deutet aber nicht nur auf die gegenwärtige Symptomatik hin, sondern es enthält auch eine Reihe ganz konkreter Anregungen und realitätsbezogener Vorschläge, wie jeder von uns richtig praktizierte Nachhaltigkeit in sein persönliches Leben einbeziehen und sogar gewinnbringend anwenden kann. Der Leser kann für sich selbst einen ganz persönlichen Nachhaltigkeitskodex erstellen: Ernährung, Energieverbrauch, Strom, Wasser im Haushalt. Fast alles, was für den kleinen privaten Haushalt gilt, kann im Grundsatz auch auf größere Wirtschaftszweige übertragen werden. Wie das funktionieren kann, dafür liefert das Buch einige praxisnahe Bespiele.

Michael Wühle geht davon aus, dass ein Nachhaltigkeitsbericht in wenigen Jahren für jede Organisation, die international tätig sein will, eine alternativlose Maßnahme für ein Bestehen am Markt sein wird. Er ist auch davon überzeugt, dass sich die rein profitorientierte betriebswirtschaftliche Unternehmensphilosophie heute längst überlebt hat. Er deutet zugleich an, wie dieser dringend notwendige Impuls zu einem zukünftigen Umdenkungsprozess hinführen wird.

„Jeder von uns, wirklich jeder, kann auf seiner Ebene Positives dazu beitragen, dass unser Handeln nachhaltiger wird. Es klingt verrückt, aber vielleicht sind der globale Klimawandel und die damit einhergehenden negativen Auswirkungen, wie Dürren, Überflutungen und andere Starkwetterereignisse der bisher fehlende starke Impuls, der die gesamte Gesellschaft in Richtung Nachhaltigkeit und damit zu einer besseren Gesellschaft treibt?“

Sachbuch zur Nachhaltigkeit in der Praxis

Das Buch verschafft nicht nur dem interessierten Laien eine umfassende Übersicht über die zentralen Aspekte des Nachhaltigkeitsmanagements, es bietet auch dem Praktiker wichtige Entscheidungshilfen für ein verstärktes Engagement. Als Leser und Rezensent wünschte ich mir dieses Sachbuch in die Hände eines jeden politischen wie auch wirtschaftlichen Entscheidungsträgers. Es sollte – meiner Meinung nach – zukünftig auch mit in den Schulunterricht einbezogen werden. Gibt es eigentlich schon das Unterrichtsfach Nachhaltigkeitsmanagement?

Getreu seinem eigenen Nachhaltigkeitsprinzip, fügte der Autor auch noch einen weiteren Aspekt hinzu, in dem er sein Werk ausschließlich als E-Book veröffentlichte. Hans Carl von Carlowitz würde wahrscheinlich schon deshalb dieser Umstand großes Wohlbehagen bereiten, da für die Herstellung und Veröffentlichung dieses Buches kein einziger Baum gefällt werden musste.

Rezension von: Peter Eckhart Reichel


neue überarbeitete Auflage:

Nachhaltigkeit – einfach praktisch!